Bielefeld, den 26. 03.2020
Liebe Freunde, liebe Unterstützerinnen und Unterstützer unserer Nadeshda Hilfe,
heute hätten wir von unserer Reise nach Bulgarien mit der Einweihung des neuen Gemeindezentrums in Vraza, dem Besuch der Patenkinder und des Hauses der Zuflucht in Mezdra zurück kommen sollen. Wenige Tage vor Beginn unserer Reise war klar, dass wir nicht werden fliegen können. Pastor Georgi teilte uns mit, dass wegen des Corona Virus ähnlich wie in Deutschland ein umfassendes Versammlungsverbot verhängt ist. Zuerst war bei unserer siebenköpfigen Reisegruppe die Enttäuschung groß. Inzwischen bin ich froh, dass wir nicht geflogen sind.
Alle Nachrichten zeigen, dass die Auswirkungen der Corona Pandemie für die Bevölkerung in Bulgarien um ein Vielfaches dramatischer sind als bei uns. Die offizielle Zahl der Infektionen ist immer noch vergleichsweise gering. Wir vermuten, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen weit höher liegt, da es vor allem in den kleineren Ortschaften keine und auch sonst im Land nur eine sehr spärliche medizinische Versorgung und damit auch kaum Tests gibt.
Pastor George aus Kazanlak schreibt, dass der Staat die Arbeit im Medizinischen Sozialkabinett wegen des Versammlungsverbots geschlossen hat. Das ist eine Katastrophe für viele Menschen, die auf diese Hilfe dringend angewiesen sind, weil sie wegen fehlender Krankenversicherung keine sonstige medizinische Hilfe und keine Medikamente bekommen. Noch ist die Suppenküche geöffnet, aber auch ihr droht die Schließung. Die Kirchengemeinde hat beschlossen, die Menschen notfallmäßig zuhause mit Lebensmitteltaschen zu versorgen.
In Vraza ist die Lage ähnlich. Pastor Georgi berichtet uns, dass die meisten Gemeindeglieder wegen geschlossener Geschäfte und Restaurants mit der Arbeit auch ihr kleines Einkommen komplett verlieren. Wer nicht mehr zur Arbeit gehen kann, bekommt von einem Tag auf den anderen keinen Lohn mehr. In allen staatlichen Einrichtungen sind die Gehälter bis zur Hälfte gekürzt worden. Es gibt keine soziale Abfederung wie bei uns. Dazu kommt: Unter den schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen der letzten Jahre konnte niemand irgendetwas ansparen. Familien stehen von heute auf morgen ohne jedes Einkommen da. Nina vom Haus der Zuflucht schreibt von einer ganzen Reihe unserer Patenkinder und ihrer Familien, dass sie buchstäblich nichts mehr zu essen haben.
Bei Pastor Ivan in Mokren und Padarevo ist die Perspektive noch düsterer. Im Telefonat heute war zu spüren: Es ist wie die Ruhe vor dem großen Sturm. Das Leben in diesen kleinen Dörfern, in denen es schon seit Jahren weder Läden noch einen Arzt gibt und überwiegend die Alten zurückgeblieben sind, droht komplett zum Erliegen zu kommen. Die Unsicherheit ist groß. Wer wird da sein, wer wird helfen können, wenn das Virus kommt?
Und dann habe ich die Besuche in den Slums vor Augen. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie das Virus hier durch die Hütten zieht. In Sliven leben 40000 Menschen auf engstem Raum. In Kazanlak im Slum sind es auch mehrere tausend. Hygiene ist nicht möglich. Es gibt kaum fließendes Wasser zum Waschen. Es gibt keine Kanalisation, keine medizinische Hilfe. Oft lebt, wie wir es bei Pastor Peter erlebt haben, eine Familie mit neun Personen in einem Raum. Wie wollen sich die Menschen hier schützen?
Überall bei unseren Partnern erleben wir: Die Kirchengemeinden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen zu helfen, so gut sie können. Die Menschen können nicht mehr in die Gemeinde kommen. So versuchen die Helfer den Bedürftigsten Lebensmitteltaschen und Medikamente nach Hause zu bringen. Manche – besonders die Älteren mit Renten um 120 Euro monatlich – brauchen oft auch finanzielle Unterstützung zum Bezahlen von Strom und Heizung. Den Gemeinden selbst fehlen dabei weitestgehend die finanziellen Mittel für die benötigte Hilfe.
Die Lebensmitteltaschen mit Grundnahrungsmitteln kosten umgerechnet etwa 8 Euro. Der Inhalt reicht für eine Person einen ganzen Monat.
Wir haben als Nadeshda Hilfe sofort reagiert und eine erste Summe für die fünf Orte, in denen unsere befreundeten Pastoren ihren Dienst tun, überwiesen. Aber das ist für die nächsten Wochen nur ein Anfang.
Und jetzt? Täglich sehen wir die erschütternden Bilder aus den Krankenhäusern in Italien und Spanien. Wir sehen kaum noch Bilder von den Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze oder aus den Lagern in Syrien oder eben aus Ländern wie Bulgarien oder Rumänien. Ärzte und Ärztinnen, Pfleger und Pflegerinnen geben überall ihr Bestes und riskieren ihr Leben.
Wir wissen auch nicht, wie sich die Krise bei uns weiter entwickeln wird. Bei aller Not und Sorge und bei all den immensen Herausforderungen durch diesen Virus können wir dennoch dankbar sein, in einem Land mit einem guten Sozial- und Gesundheitssystem zu leben.
Durch Corona werden nun gerade wieder Menschen in den Ländern am härtesten getroffen, die auch sonst schon unter viel schwereren Bedingungen zu leben haben.
Deshalb bitte ich Sie und Euch: Lasst uns da helfen, wo die Not am größten ist. Gerade jetzt sind wir gefragt, so wie wir können, zu teilen und den Menschen vor Ort zu helfen. Wir garantieren wie immer, dass jeder Euro direkt vor Ort ankommt.
Unser Ziel ist es, in den nächsten vier Wochen weitere 1000 Lebensmitteltaschen verteilen zu können. Das ist für 1000 Menschen Hilfe für einen ganzen Monat. Ein großer Wunsch. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit Ihrer und Eurer Hilfe die dafür benötigten Finanzen zusammen bekommen. Bitte geben Sie und gebt Ihr diese Informationen auch gerne im Bekanntenkreis weiter.
Wir gehen auf Karfreitag und Ostern zu. Wir haben einen Gott, der das Leid kennt, und der uns in unserer Not nicht allein lässt. Unser Vertrauen darf von Ostern her sein: In Jesus und seiner Auferstehung ist das Leben stärker als aller Tod und jede Not.
Ich wünsche jedem von uns diese Erfahrung des Glaubens. Bleiben Sie und bleibt Ihr behütet und gesund.
Herzlichst Ihr/Euer